Lisl Ponger
The Vanishing Middle Class
13.2. – 30.3.2014
Lisl Ponger beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Konstruiertheit von (kultureller) Identität, den – oft stereotypen – Vorstellungen und Wahrnehmungen des „Anderen“ und damit verbundenen Fragen bildlicher Repräsentation. Ein bevorzugter Gegenstand ihrer künstlerischen Auseinandersetzung sind die Disziplinen der Ethnologie und Anthropologie, deren Methoden und Politiken in der Sammlungs- und Ausstellungspraxis ethnologischer Museen anschaulich werden.
Im Hauptraum der Secession realisiert Ponger ein lange gehegtes Vorhaben: das Museum für fremde und vertraute Kulturen, kurz MuKul. In diesem Entwurf für ein eigenes (ethnologisches) Museum kulminieren ihre künstlerischen Interessen. Wenngleich fiktiv, basiert die Inszenierung des Museums auf akribischen Recherchen und genauen Beobachtungen. Es ist fast verstörend detailgetreu an reale Völkerkundemuseen angelehnt, die heute zunehmend Namen wie Weltmuseum oder Museum der Kulturen u. Ä. tragen. Nicht nur weisen die Sammlungsobjekte Inventarnummer sowie Ankaufsort und -jahr auf, das Museum verfügt auch über Objektbeschriftungen, Saaltexte und Tafeln mit den Namen aller MitarbeiterInnen und LeihgeberInnen, und im Foyer befindet sich einer der aktuell populären Fotopoints, vor dem sich BesucherInnen in Szene setzen können.
In den vier Räumen des MuKul präsentiert Lisl Ponger zwei Ausstellungen: The Vanishing Middle Class, eine Schau, die ganz im Sinne der sogenannten „Rettungsethnologie“ eine vom Verschwinden bedrohte Bevölkerungsgruppe möglichst facettenreich zu erfassen und dokumentieren versucht, und die Sonderausstellung Lisl Ponger. Wild Places mit einer Reihe fotografischer Arbeiten der Künstlerin aus den Jahren 2000 bis 2010.
Die Ausstellung zum Verschwinden der Mittelschicht gliedert sich in thematische Räume unter Überschriften wie „Der Aufstieg der westlichen Mittelschicht“, „Die Mittelschicht in Gefahr“, „Vom Spiel nach Regeln zum Ausspielen des Systems“, „Schaustücke für die Nachwelt“ oder „Die aufstrebenden Mittelschichten“. Sie verhandelt neben der historischen Entwicklung des Mittelstandes dessen Verhältnis zu Demokratie und Kapitalismus neoliberaler Ausprägung, insbesondere die Folgen von Steuerparadiesen und Bankenkrise, bis hin zu neu aufstrebenden Mittelschichten, etwa in China. Das Anschauungsmaterial ist vielfältig, darunter sind echte und gefälschte Markenartikel als Statussymbole, historische Fotografien, Postkarten von Steuerparadiesen, Lebendabgüsse von Angehörigen des Mittelstands, Brettspiele, Münzen und Geldkuverts zu finden.
Die Gestaltung der beiden Ausstellungen folgt ganz den Konventionen unterschiedlicher kultureller Einrichtungen: Während die fotografischen Arbeiten der Künstlerin in einem neutral weiß gemalten Raum mit ebenso neutraler Beleuchtung präsentiert werden, sind die Räume der Ausstellung The Vanishing Middle Class jeweils einheitlich in eine bestimmte Farbe getaucht, von den Wänden bis zu den Sockeln der Vitrinen, die Beleuchtung ist auratisch.
Indem Ponger die westliche Mittelschicht in dieser Ausstellung als Untersuchungsgegenstand so behandelt wie (auch heute noch) „exotische“ Völker oder Volksgruppen in entlegenen Gegenden der nicht-westlichen Welt in oft spektakulären Ausstellungen repräsentiert werden, führt die Künstlerin eindrucksvoll die Mechanismen vieler Museen vor Augen und erlaubt in dieser Art Dekonstruktion eine kritische Auseinandersetzung.