: „Questions“ von Barbara Kruger
Barbara Krugers Modifikation des berühmten Dictums von René Descartes „cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) in „I shop therefore I am“ (Ich kaufe, also bin ich) zählt zu bekanntesten konsumkritischen Slogans des 20. Jahrhunderts. Indem Kruger diese Aussage nicht nur im Ausstellungsraum sondern auch auf Einkaufstaschen platziert, greift sie in genau den Zusammenhang ein, den sie mit ihrer Arbeit reflektiert. Überhaupt ist es ein Wesenzug ihrer Vorgehensweise, dass sie immer wieder die weißen Hallen des Ausstellungsbetriebs zugunsten des öffentlichen Raums verlässt, um auf Plakatwänden, Bussen oder Häuserfassaden ihre im besten Sinne plakativen, häufig auf Schwarz, Rot und Weiß reduzierten Botschaften unter die Leute zu bringen.

Die Hinwendung zum Alltag und die unmittelbare Ansprache einer Gruppe von Menschen auch außerhalb des Kunstmilieus ist ebenfalls ein Charakteristikum ihrer für die Arbeiterkammer Wien entwickelten Installation.

„Kann man Liebe kaufen?“ steht in großen weißen Buchstaben vor schwarzem, sich nach unten gräulich aufhellendem Grund. Die Frage nimmt eine der insgesamt sechs Stirnwände des Foyers der Arbeiterkammer ein und auch auf den übrigen fünf Wänden sind Sätze in Versalien zu lesen, wie „Ist blinder Idealismus reaktionär?“ oder „Wann hast du das letzte Mal gelacht?“

Diese von Barbara Kruger speziell für die Arbeiterkammer realisierte Installation ist aufgrund ihrer passgenauen Platzierung in den vorgegebenen architektonischen Raum zwar ortspezifisch, greift aber Themen auf, die weit über die besondere Situation ihrer Präsentation hinausreichen. Und dennoch generiert der Ort, an dem Kruger ihre Fragen platziert, auch inhaltlich spezifische Lesarten. Denn obwohl lediglich einmal das Wort „Arbeit“ von Kruger in ihrer Wiener Installation verwendet wird, scheint es naheliegend, auch die übrigen Fragen im Zusammenhang von Wertproduktion, Sinnstiftung und anderer Aspekte beruflicher Beschäftigung zu lesen.

Aufgrund seiner Funktion als Wartezone sind im Foyer eine Reihe von Sitzgelegenheiten aufgestellt, die mit ihren roten Lederbezügen sofort ins Auge fallen. Ähnlich wie diese Blickfänge setzen auch massive Stützpfeiler aus Beton markante visuelle Zeichen. Darüber hinaus gibt es hier Tische mit Informationsmaterial rund um das Thema Arbeit und auch dezent platzierte Bildschirme werben um die Gunst der Aufmerksamkeit. Diesen vielfältigen visuellen Zeichen begegnet Kruger mit einer Ökonomie, die durch Sparsamkeit in Farb- und Formwahl besticht und gleichzeitig allein durch die Größe der von ihr verwendeten Wörter und die Unmittelbarkeit der Ansprache Aufmerksamkeit erzielt.

Schon früh hat es Barbara Kruger verstanden, die (Bild)Sprache der Werbung zu nutzen, um deren ursprüngliches Anliegen – die Steigerung von Konsum – in ihr Gegenteil zu verkehren. Nicht selten sind es konkrete gesellschaftliche Anliegen, die in ihrem Werk verhandelt werden, wie beispielsweise bei ihrem „Visual AIDS Project“ von 1992, mit dem sie sich dezidiert gegen die repressive Reagan-Politik richtete. Immer wieder hat sie sich für die Selbstbestimmung von Frauen eingesetzt und die Vermarktung des weiblichen Körpers mit zugespitzten Bildern und Sprüchen wie „Your Body is a battleground“ in Frage gestellt.

Heute zählt sie zu den bekanntesten Künstlerinnen ihrer Generation, deren feministische und gesellschaftskritische Werke in den großen internationalen Museen ausgestellt und gesammelt werden. Die Installation in der Arbeiterkammer ist ihr erster Solo-Auftritt in Wien überhaupt. Barbara Kruger wurde 1945 in Newark , New Jersey, geboren und lebt heute in New York und Los Angeles. Sie ist Professorin für bildende Kunst an der University of California, Los Angeles. 2005 erhielt sie auf der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.

Yilmaz Dziewior